
Üblicherweise muss man schon zu den älteren Semestern gehören, um mit dem Namen Hein Mück noch etwas anfangen zu können. Die nach einem Seemann mit Akkordeon benannte Symbolfigur der norddeutschen Stadt Bremerhaven wurde durch einen Schlager des deutschen Schauspielers und Sängers Hans Albers berühmt.
Nun aber hat Hein Mück die Aufmerksamkeit der Remscheider Kommunalpolitik geweckt. Oder besser gesagt, ein nach ihm benannter, mit künstlicher Intelligenz gesteuerter Chatbot im Auftrag der Stadt Bremerhaven. Colin Cyrus, Geschäftsführer der Ratsgruppe Die Linke im Remscheider Stadtrat, hat das technische Dialogsystem bei privaten Recherchen auf der Internetseite der norddeutschen Kommune entdeckt. Der Chatbot gibt dort Auskunft zu allen Anliegen, bei denen Bürger oder Besucher in Kontakt mit der Kommune kommen. Das Spektrum reicht von der KFZ-Zulassung bis zur Hundesteuer. Auswärtige Nutzer bekommen Antworten von Hein Mück, etwa wenn es um Sehenswürdigkeiten und Öffnungszeiten von Restaurants geht. Ein Test der Redaktion zeigt, dass die KI sehr schnell und auch umfassend arbeitet. Auch Telefonnummern von Ansprechpartnern in der Verwaltung nennt das Programm auf Nachfrage.
Cyrus, der für seine Partei bei der Kommunalwahl im September als Oberbürgermeister-Kandidat antritt, schlug schnell den Bogen nach Remscheid. Gemeinsam mit der Remscheider Wählergruppe echt hat die Linke nun einen Prüfantrag formuliert. Das Ziel: Die Stadt soll die Einführung eines KI-Chatbots für den Internetauftritt der Stadt Remscheid prüfen. Dafür soll sie zunächst Kontakt zur Stadt Bremerhaven aufnehmen.
In der Begründung heißt es: „Ein KI-Chatbot auf der Webseite der Stadt Remscheid könnte vieles für die Bürger:innen vereinfachen.“ Denn aktuell könne man, so die Antragsteller, mit der Suchfunktion auf der Internetseite „teilweise keine oder nur falsche Ergebnisse erzielen“, was die Suche nach verschiedenen Angelegenheiten sehr erschwere. Das führe in der Folge zu Frustration bei vielen Menschen. So sei es aktuell „unmöglich, das Bürgeramt außerhalb der Geschäftszeiten zu kontaktieren.“ Ein KI-Chatbot, der rund um die Uhr erreichbar ist, könne dagegen viele Fragen vorab klären.
Dass der Ruf von Chatbot Hein Mück bis nach Remscheid gedrungen ist, freut Dustin Klepper von der Firma Neuraflow aus Bremerhaven. Das junge Start-up hat das Programm entwickelt und ist mittlerweile Partner von vielen Kommunen in ganz Deutschland. Mit der Einführung des Sprachprogramms Chat-GPT habe man die Idee entwickelt, eine Anwendung für Verwaltungen zu entwickeln, berichtet Klepper im Gespräch mit der Redaktion. „Wir haben das riesige Potenzial gesehen und angefangen, die Lösung zu entwickeln.“ Als Zielgruppe habe man sehr bald kommunale Einrichtungen wie Stadtwerke oder Wohnungsbaugesellschaften identifiziert. „Informationsbunker“ nennt Klepper diese Kunden. Heißt: Sie verfügen über sehr viele Informationen und Daten, die aber für den Bürger nicht immer leicht zu erreichen sind. Ausschlaggebend für die Firmenpolitik der Gründer war zudem, „dass diese Tools über 90 Sprachen sprechen“. Auch darum habe man sich entschlossen, sich auf Städte zu fokussieren, weil dort viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten leben. „Man kann jetzt zum Beispiel hier in Bremerhaven auf Türkisch fragen, wie man seinen Hund anmeldet“, erklärt der Jungunternehmer.
Schnell habe sich gezeigt, dass die Kommunen „gerade solchen Lösungen, wie wir sie entwickelt haben, sehr offen gegenüberstehen“. Neben dem Vorteil der Nutzerfreundlichkeit und der Mehrsprachlichkeit punkte Neuraflow auch mit Schnelligkeit, sagt Klepper. Es brauche nur wenige Wochen, um das Programm in einer Kommune an den Start zu bringen.
Das liege auch daran, dass die Tätigkeiten der Gemeinden in Deutschland fast immer dieselben seien. „Wir haben das große Glück, dass, ganz gleich, ob wir jetzt von der Stadt Bremerhaven sprechen, von der Stadt Remscheid oder von einer kleinen bayerischen Gemeinde, die Tätigkeiten und die Verantwortung fast immer dieselben sind.“ Überall müsse man seinen Ausweis beantragen können. Jede Stadtverwaltung greife auf einen Veranstaltungskalender oder auf einen Newsletter mit Presseerklärungen zurück. Diese „Standarddatensätze“ würden dann so aufbereitet, dass sie dem Bürger nutzen können.
Auch mit Remscheid habe man vor längerer Zeit mal in Kontakt gestanden, erinnert sich der Firmengründer. Dann sei der Dialog abgebrochen. Damals ging es um eine Anwendung für das Ausländeramt.