Bernth – ein Rockstar, den kaum jemand auf der Straße erkennt

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Der Heavy-Metal Gitarrist Bernd „Bernth“ Brodträger ist einer der erfolgreichsten Musik-Influencer der Welt. Sein neues Album „Elemental“ verzeichnete innerhalb von 24 Stunden über 10 Millionen Streams. Nun zieht es den Österreicher nach Los Angeles. Ein Gespräch über Bubble-Fame, Creator-Druck und die Magie des Shreddens. Am Samstag spielt Bernth live in Wien.

Von Christian LehnerDer Nightliner parkt direkt vor der Konzerthalle in der Kulturbrauerei in Berlin. Ein Totenkopf hinter der Frontscheibe und die schwarze Lackierung lassen auf das Genre Heavy-Metal schließen. Roadies schleppen Gitarrenverstärker und Kabel. Unter ihnen ein schmaler Rotschopf, der keuchend vor einem Amp steht. Der junge Mann hört auf den Namen Charles Berthoud.Eigentlich ist Berthoud ein Star, doch keiner der Tourist:innen, die an dem wunderschönen Wintersonntag über das Gelände der Kulturbrauerei schlendern, bleibt stehen, um ein gemeinsames Selfie zu schießen, oder nach einem Autogramm zu fragen. Berthoud packt an und hilft das Equipment für die Show am Abend in die Venue zu schaffen.Drei Influencer on the RoadCharles Berthoud ist Musikinfluencer. Sein Bass-Channel auf YouTube verzeichnet knapp zwei Millionen Subscribers. „Charles und ich unterhalten uns oft darüber, wie cool das ist, was wir tun, wieviele Menschen wir erreichen, ohne den Fan-Anstürmen klassischer Popstars ausgesetzt zu sein. Vor allem in den USA wird man schon erkannt, aber da sind es dann halt immer nur ein/zwei Nerds die Hallo sagen.“Katharina Braun PhotographyEscape the Internet treten am 31.01.in München im Muffatwerk und am 01.02. in der Szene Wien auf. Hier geht’s zum FM4 Interview-Podcast mit Bernth.Bernd „Bernth“ Brodträger hat es sich im Nightliner bequem gemacht. Gemeinsam mit Berthoud und dem Metal-Influencer Ola „The Swede“ Englund ist der Österreicher als „Escape The Internet“ auf Europa-Tour. Der ironisch klingende Name ist durchaus ernst gemeint: „Die Zahlen auf dem Bildschirm sind ja echte Menschen, was man oft schnell vergisst, wenn man Videos macht, und da hab ich mir vor gut einem Jahr gedacht, dass die sicher auch auf Konzerte gehen. Dann habe ich recherchiert, welche meiner Followers auch anderen folgen und bin dann schnell auf Charles und Ola gestoßen.“Die Show von „Escape The Internet“ ist eine Mischung aus Showcase-Instrumentals, Challenges und artistischer Gitarrenakrobatik. Es ist ein Konzertformat mit Zirkus-Flair. Fast alle Fans sind Musiker:innen. „Wir haben einen Part in der Show, wo wir das Publikum auffordern, Quintolen zu klatschen, was sehr schwierig ist“, erzählt Bernth. „Wir haben geglaubt, dass das was lustiges wird, weil es nicht klappt, aber es war perfekt!“ Den Genderdoppelpunkt könnte man sich bei der Beschreibung des Publikums übrigens sparen. Bernth grinst Charles an, als der durch den Bus schleicht: „99% male audience, right?“ Die Tour ist bei fast allen Stopps ausverkauft.Von Wiener Neustadt zum MillionenpublikumWie so oft im Internet hat alles mit einem Bedürfnis begonnen, das nicht befriedigt werden konnte. „Mit den Videos habe ich vor gut sechs Jahren angefangen“, so Bernth. „Keiner meiner Freunde war so interessiert an der Gitarre wie ich. Nachdem sich niemand mit mir darüber austauschen wollte, habe ich mir gedacht, dass ich es einfach einer Kamera erzähle und schaue, ob das Leute im Internet interessiert.“Zu dem Zeitpunkt war Bernth bereits Profimusiker. Das Handwerk erlernte Brodträger klassisch auf einer Musikschule in seiner Heimatstadt Wiener Neustadt. Der Gitarrenlehrer, ein Blues-Fan, konnte ihm jedoch nicht die extremen Spieltechniken diverser Metal-Styles, wie etwa Double-Tapping, vermitteln. So begann der heute 33-Jährige im Netz nach Tutorials und Tabs zu suchen. Später studierte Brodträger am Vienna Music Institute und verdingte sich als Live- und Studiomusiker in so unterschiedlichen Musikprojekten, wie der österreichischen Death-Metal-Band Belphegor und dem Duo Seiler und Speer.BernthBernth baut auch seltsame Gitarren als Challenge seiner CommunityDie Community der Musikinfluencer:innen und ihrer Fans ist groß. Wenn man unter den tausenden Online-Musikerklärer:innen hervorsticht, kann man auch davon leben. Es gibt keinen Style, kein Genre und kein Skill-Level, das nicht bedient wird. Das Angebot reicht von einfachen Riffs für Anfänger:innen bis zu hochkomplexen Grifftechniken für Fortgeschrittene.Musikinfluencer:innen: alle Styles, Skills und auch jedes Alter.Das, was Bernth macht, könnte man vom Punk aus betrachtet als „Streber-Metal“ bezeichnen. Der Mann ist ein Virtuose auf seinem Instrument und hat schon einmal – mit Leichtigkeit, wie es scheint – eine Paganini-Challenge gemeistert. Dahinter stecken freilich „10.000 hours of practice“, wie es in seinen Videos immer wieder heißt. Was die Skills betrifft, verfügt Bernth über eine angenehme Prise Selbstironie. „Sehr viele Noten in kürzester Zeit spielen“, so fasst er breit grinsend eine seiner Lieblingstechniken, das „Shredding“, zusammen.In vordigitalen Zeiten hüteten viele Gitarrist:innen ihre Spieltechniken wie Geheimnisse. Davon hält Bernth nicht viel. Er teilt gern sein Wissen und seine Erfahrung. „Es gibt eh keinen magischen Trick. Auch wenn man weiß, wie’s geht, muss man sehr lange und sehr hart arbeiten. Ich sehe keinen Sinn darin, das zu verheimlichen.“ Transparenz ist ein Stichwort, um das Frustrationslevel der Fans niedrig zu halten.Musikunterricht einmal andersWer so gut werden will wie Bernth, muss also üben, üben, üben. In seinen Videos fliegen die Finger über das Griffbrett. Tapping, Sweeping, Picking – es gibt scheinbar keine Technik, die Bernth nicht beherrscht. Damit der Spaß nicht flöten geht, hat sich der Gitarren-Influencer so einiges einfallen lassen Neben den Tutorials……präsentiert Bernth seine Sicht auf aktuelle Themen, die den Musikdiskurs bewegen:Ein beliebtes Feature auf seinem Hauptkanal ist das Bauen bizarrer Gitarren, darunter eine Klampfe ohne Hals, eine aus Lego, oder eine mit 21 Saiten. „Das macht fast am meisten Spaß“, sagt Bernth. „Ich nehme die Anregungen oft direkt aus den Comments. Eine Herausforderung ist es, weil ich eigentlich gar nichts vom Instrumentenbau verstehe. Wir arbeiten dann sehr lange daran.“Bernth veröffentlicht eigene Songs und Alben zwischen Hochglanz-Metal und Mood-Musik, die er direkt auf Spotify hochlädt. Sein aktuelles Album „Elemental“ hat innerhalb von einem Tag mit Vorab-Singles über 10 Millionen Streams generiert. Welcher österreichische Popstar kann das von sich behaupten? „Das ist für mich insofern cool, weil ich das Album ohne Label veröffentlicht und mit bloß einem Click auf alle Plattformen hochgeladen habe“, erzählt Bernth von seiner Strategie. „Das kann im Prinzip jeder so machen.“ Auch vom – bei YouTube so beliebten – Sponsoring hält Bernth nicht viel: „Ich bewerbe mittlerweile eher meine eigenen Sachen. Beim Sponsoring drücken sie dir ein Skript in die Hand und dann musst du das genauso sagen, wie sie es formuliert haben und das fühlt sich dann nicht so toll an.“Escape The Internet LIVE: am 31.01. im Muffatwerk in München und am 01.02. in der Szene Wien.Mittlerweile kann Brodträger sehr gut leben von der Musik. Die Anzahl der Follower:innen auf seinen Kanälen schätzt er auf insgesamt ca. drei Millionen. Sein Team, das bei Touren, Videos und dem Vertrieb hilft, ist auf zehn Mitarbeiter:innen angewachsen. Zusätzlich betreibt Bernth eine kostenpflichtige Online-E-Gitarrenakademie. Dem Druck, ständig Neues liefern zu müssen, entzieht er sich durch eine breite Streuung seiner Aktivitäten. „Wir haben da so eine Whatsapp-Gruppe, wo sich die größten Musik-YouTuber austauschen und da liest man dann schon oft: Ach, ich fahre in den Urlaub und muss noch vorher Videos hochladen“, so Brodträger. „Das interessiert mich nicht. Ich möchte nicht von einzelnen Kanälen abhängig sein. Ich habe sieben kleine Unternehmen, die in einem großen zusammenkommen. Bricht einmal etwas weg, dann ist es auch nicht schlimm, wenn ich mal einen Monat lang keine Videos veröffentliche.“Next Stop: Los AngelesSo schafft es der Influencer, locker und frei für neue Ideen zu bleiben: „Die kommen mir tatsächlich oft unter der Dusche“, lacht Bernth. „Was irrsinnig hilft, sind natürlich virale Momente. Da war zum Beispiel diese Sache mit den In-Ear-Kopfhörern bei Live-Shows, das Video wurde innerhalb kurzer Zeit 20 Millionen Mal gestreamt.“Bernth ist mittlerweile ein Veteran der Musik-Influencer:innen-Szene. Tutorials- macht er nur noch selten und wenn, dann in Zusammenhang mit seinen eigenen Songs. Die Algorithmen und Kurzvideo-Edits (sogenannte „Shorts“) garantieren ohnehin, dass die Lektionen in Umlauf bleiben. Und jetzt erfüllt sich der sympathische Guitar-Hero den ganz großen Traum, Brodträger zieht als Profimusiker nach Los Angeles. Gefeiert wird das natürlich mit einem Online-Video auf seinem Kanal:



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